Frau mit Griffel

Um das Jahr 50 gemaltes Fresko aus Pompeji, entdeckt 1760

(Quelle: Wikipedia)


Brief 201 | Vom Glimmern zum Glitzern

Liebe B.,

Fortsetzung des Kontingenten

Mir scheint, wir verstehen unter der Nicht-Notwendigkeit nicht ganz dasselbe, kommen aber zum selben Ergebnis, nämlich dem Raum der Möglichkeiten. Für dich bedeutet Nicht-Notwendigkeit zunächst, dass alles, was ist, genauso gut auch nicht sein könnte, während meine Gedanken eher in die Richtung gingen, dass alles, was ist, auch anders sein könnte. Deshalb hatte mir die Definition spontan so gut gefallen. Es ist nicht zwingend notwendig, dass etwas so ist, wie es ist, und vor allem: dass etwas so und so kommen muss. Kausalität (die ich damit nicht leugnen will) ist nicht absolut, sondern gilt sozusagen nur näherungsweise, mit einem unscharfen, „lichtgrauen“ (schön!) Spielraum an den Rändern. Die Zukunft ist (zu einem gewissen Grade) offen, und auch in meinem Handeln bin ich (zu einem gewissen Grade) frei. Fuzzy-Logik! :-) (Keine Ahnung, ob der Begriff hier passt, fiel mir nur gerade so ein.)

„Verschwommen“, „verwischt“, „unscharf“ ist die umgangssprachliche Bedeutung von „fuzzy“, wie ich mich eben versichert habe. Fuzzy-Logik oder Unschärfelogik ist eine Theorie, welche in der Mustererkennung zur „präzisen Erfassung des Unpräzisen“ entwickelt wurde, habe ich im Netz abgeschrieben. Paßt eines davon? Hm, ich vermute, die unscharfen, „lichtgrauen“ Ränder haben Dich den Begriff assoziieren lassen. Du meine Güte, nehme ich nur die obige Umschreibung der „Fuzzy-Logik“, denn mehr weiß ich nicht, dann scheint mir die Theorie nicht so ganz zu passen.  

Ich würde aber doch gerne versuchen zu klären, worin sich unser voneinander abweichendes Verständnis unterscheidet. Was ist anders?  Zur Veranschaulichung probiere ich es mit dem Beispiel des Schachspieles:   

"Notwendig" ist das, was konstitutiv für das Spiel ist, das wir „Schach“ nennen.

"Möglich" ist alles, was entsprechend der Regeln passieren könnte. Unmöglich ist das, was nicht konstitutiv zum   Schachspiel gehört.

"Wirklich"/"Real" ist die tatsächliche Stellung nach Zug 20 – und diese ist zugleich kontingent, denn sie hätte auch ganz anders sein können.

Vielleicht irre ich mich, aber ich glaube, dass ich im Unterschied zu Dir  keinen Geltungsbereich festgelegt habe oder anders, Du legst mit „Kausalität“, „Zukunft“ und „Handeln“ Bereiche der Notwendigkeit fest, so wie man einen Rahmen schafft. Wenn ich hingegen davon ausgehe, dass alles, was ist, auch nicht sein könnte, dann habe ich keinen Rahmen. Du hast einen Bereich wie im Schachspiel als Beispiel, von dem ausgegangen wird, der also notwendig schon existiert.

Vom Ergebnis her, das stimmt, gelangen wir beide in den Raum der Möglichkeiten.      

Ich denke, es ist ein ständiges Changieren zwischen den vielen Möglichkeiten, die ich theoretisch habe, und den im Vergleich dazu begrenzten Möglichkeiten, die mir tatsächlich offenstehen. Wobei die Grenzen, die mir da gesteckt sind, eher psychologischer Natur sind, eher in mir als im Außen liegen, zumindest finde ich diese inneren Grenzen viel interessanter. Eine äußere Grenze könnte z.B. fehlendes Geld für was auch immer sein, und ich könnte jetzt viel Energie darauf verwenden diese Grenze zu verschieben, irgendwie „reich“ zu werden. Aber was habe ich davon? Eine innere Grenze wäre z.B. meine Schüchternheit, und diese zu verschieben verändert mich wirklich nachhaltig. Ich finde, bei uns beiden hat sich da in den letzten Jahren einiges getan. :-)

Das sehe ich genau s o wie Du. Zumindest sehe ich es so für uns, die in diese Gesellschaft des Luxus hineingeboren sind und in der wir nach wie vor leben. Ich stelle mir, die ich tatsächlich nicht viel Geld habe, also vor, ich hätte viel Geld –und weiß sofort, ohne darüber nachdenken zu müssen, dass diese Beschränkung peripher ist. Sie spielt kaum eine Rolle. Wirklich beengt fühle ich mich von meiner mangelnden Selbstakzeptanz, der Selbstablehnung, die, wenn ich genauer hinsehe, viele meiner Handlungen beeinflußt. Daran würde mehr Geld zu haben, nicht das Mindeste ändern. Ja, es geht nur über diesen langen, mühseligen Weg der winzigen Schritte, hier und da ein wenig die Selbstliebe zu stärken und diesen Teil zu erweitern, sodaß sich auf der anderen Seite die Selbstablehnung minimiert. 

Jetzt, beim letzten Lesen, fällt mir plötzlich die Lücke ein, die wir ziemlich zu Anfang mal thematisiert hatten – die Lücke, die der Tod unserer Männer gerissen hat. Und mir kommt es so vor, als ob sich diese Lücke im Laufe der Jahre nicht geschlossen hat, wie ich ursprünglich gedacht hatte – vielleicht erinnerst du dich an mein Bild des Baumes, dem vom Sturm eine ganze Seite weggerissen worden ist, und ich hatte mir vorgestellt, dass diese Lücke allmählich wieder wenigstens teilweise zuwächst. Sondern jetzt will es mir scheinen, als ob die Lücke, die der Tod gerissen hat, bei mir eine Öffnung bewirkt hat, eine Grenzöffnung, die ich seitdem immer weiter auszudehnen versuche, anstatt sie zu schließen.

Ja, ich erinnere mich gut und spontan hatte ich schreiben wollen, dass dieser Vorgang der Grenzöffnung und Grenzverschiebung doch wahrscheinlich ganz normal ist. Dabei habe ich mich an die Formulierung erinnert, dass ein normal verlaufender Trauerprozeß ungefähr nach einem Jahr abgeschlossen ist (steht in allgemeiner Literatur übers Trauern), was auf der anderen Seite bedeutet, danach wieder Schritte „in die Welt“ zu tun. Dann bin ich zu mir rübergesprungen und mir ist ein Unterschied zwischen uns aufgefallen, der aus meiner Sicht wichtig ist. Die Lücke hat sich in dem Maße geschlossen, in dem Du Deine Grenzen verschoben hast, kann man das so sagen? Ich sehe einen stetig fließenden Prozeß, in dem eines das andere bedingt. Bei mir sehe ich sowas wie ein ruckartiges Vorangehen, Öffnung und Grenzverschiebung gegen innere Widerstände. Exemplarisch dafür finde ich, dass Du häufig von Deiner Neugierde gesprochen hast, das heißt der Lust am Ausprobieren Deiner Selbst in neuen Situationen. Ich habe meine Schritte meistens als mir aufgezwungene wahrgenommen, nicht gerne habe ich sie getan. Das ist keine Klage meinerseits, weil ich es ja war und bin, die sich selber im Wege stand und steht. An den äußeren Umständen hat es wenig(er) gelegen.            

 

„Glimmer“ und "Glitzer"

„Glimmer“ – was für ein schönes Wort für eine schöne Sache! Davon hatte ich bisher noch nie gehört. Ich musste sofort an den Spruch „Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess ich nimmer“ denken, einen Merkspruch für die Zusammensetzung von Granitgestein. Granit sieht meist sehr unscheinbar aus, aber man muss ihn nur mal etwas bewegen bzw. sich selbst bewegen, um sofort das Glimmern darin zu sehen. Eine minimale Perspektivveränderung, und schon fängt so ein unscheinbarer Stein an zu glitzern und zu funkeln. Das darf man gern metaphorisch verstehen. :-)

Mir war zum „Glimmer“ nur eine Art von Konfetti eingefallen, also winzige Blättchen, die zwar glitzern, aber aus Plastik oder Kunststoff hergestellt sind – so wie es auch Schminke gibt, mit der man auf der Haut Glitzer verteilen kann. Aber den Spruch zum Granit kannte ich nicht. Der natürliche Glimmer ist natürlich viel schöner, und noch schöner ist, wie ich finde, das Glitzern oder der Glitzer.          

 „Ganzheitlich“ fällt mir dazu ein – auch so ein Modebegriff, aber in manchen Zusammenhängen ein recht schöner. Ganz werden, vollständig werden … Neulich war ich in einer Gruppe, in der ich mich zunächst nicht besonders wohl fühlte. Zu laute, zu schnelle Gespräche, ich stumm mittendrin … Da fiel mir ein Mann auf, der ebenfalls fast die ganze Zeit schwieg, sich dabei aber im Gegensatz zu mir wohlzufühlen schien. Als ich ihn am nächsten Tag darauf ansprach, meinte er, er sei Zeit seines Lebens sehr kommunikativ gewesen, extrovertiert, immer mittendrin, immer der Spaßmacher. Aber mit zunehmendem Alter habe er das Gefühl bekommen, dass das gar nicht seine wahre Natur sei, und nun mache er das nicht mehr. Da erzählte ich ihm, dass es sich bei mir gerade umgekehrt entwickelt: Ich, die Introvertierte, die das Alleinsein so sehr liebt, ich fühle mich plötzlich (in Maßen) zu den Menschen hingezogen. Da meinte er, wir seien wohl beide auf dem Weg vollständig zu werden. Das gefiel mir gut.

Das passt auch gut zum Thema der Kontingenz, der Möglichkeiten. Ich bin nicht festgelegt auf ein einziges Charaktermerkmal, z.B. Introvertiertheit (so war ja viele Jahrzehnte mein Selbstbild), sondern ich habe auch andere und sogar die entgegengesetzten Wesenszüge, wenn auch vielleicht in geringerem Maße. Das muss ich aber erst einmal überhaupt erkennen und anerkennen, um dieses erweiterte Repertoire auch nutzen zu können.

Und so siehst du jetzt das Positive nicht anstatt des Negativen, sondern zusätzlich. Die Welt wird größer, weiter …

„Wesenszüge“? Für mich weiß ich es im Moment nicht. Mir fällt ein Satz ein, mit dem ich mich einmal charakterisiert habe: Ich lebe nicht leicht. Ist das eine „wahre Natur“, ein Wesenszug? Ich weiß es nicht. Er drückt für mich ein Existenzgefühl aus. Ich überlege, ob ich Deinen letzten Satz darin unterbringen kann. Nein, nicht wirklich. Die Glitzer bleiben punktuell. Änhlich wie die „trigger“ überraschen sie zwar plötzlich und ohne, dass wir sie beeinflussen können, nur ziehen sie im Unterschied zum „trigger“ nicht ein ganzes Paket der schönen Erlebnisse in die Gegenwärtigkeit –und die Nachwirkungen sind nur kurz, das Schöne verläuft sich schneller. Ein bisschen „Negatives“ muß schon noch sein.            

Aber mir fällt ein anderer Aspekt zum Selbstbild ein. Wozu ist es überhaupt wichtig, die eigenen Eigenschaften, dominierende und weniger ausgeprägte, zu wissen und sich um sie zu kümmern? Ich denke, dass wir deswegen über sie nachdenken, weil es am Ende um unser Handeln geht. Das heißt, wir reflektieren sie weniger zur Identitätsfindung als vielmehr zur Gestaltung unseres Lebens. Deswegen ist diese Frage auch erst in so drängender Weise wichtig geworden, nachdem wir alleine in dieser Welt zurückgelassen worden sind. Denn danach ging und geht es um die zentrale Frage, in welcher Lebenswelt wir uns bewegen wollen.   

Nach dem Tod meines Mannes hatte ich die Idee, das Bild von einer Frau, die in einem Kreis von mehr oder weniger guten Freunden lebt, von denen sie anerkannt und geschätzt wird. Meine ersten Schritte in Gruppen, da ich ja niemanden kannte, zeigten mir, dass und wie sehr ich mich  unsicher, unbeholfen und unbeachtet fühle. Auf diese Weise bin ich mit mir selber damals überhaupt bekannt geworden. Das Bild in meiner Phantasie entsprach in keiner Weise meiner Wirklichkeit, also meiner Person in ihrer Realität. Ich erlebte mich anders. Eine Frau lernte ich kennen, mit der ich persönlich einen näheren Kontakt hatte und immerhin merkte, dass ich kommunizieren kann. Und gleichzeitig habe ich weiterhin meine Schwierigkeiten wahrgenommen und beobachtet. Aus meinem Schneckenhäuschen herauszukommen, jeweils nur für kurze Zeit, gelang mir immerhin. Im Schneckenhäuschen fühlte ich mich einerseits sicher und andererseits brauchte ich, um mich in ihm sicher zu fühlen, die Kontakte draußen.

Wenige Jahre später haben dann wir uns kennengelernt und in Verbindung mit Dir habe ich wiederum mich selber weiter erkunden können. Zwei Erfahrungen waren zentral dabei. Zum einen meine Ängste Dich zu verlieren, denn das war mir ja schon aus meiner Beziehung zu meinem Mann überaus vertraut. Also die Verlust-Filme, wie ich sie jetzt nenne, die sich in meiner Phantasie abspielten. Zum anderen meine Tendenz zur Monogamie, in jeder Hinsicht und Beziehung. Erst als Du Deine Kontakte erweitertest, wurde mir dies so richtig bewusst. Ich erläutere es nicht ausführlicher, nur ziehen sich diese beiden Aspekte durch mein Leben bis heute. Sie bedingen sich natürlich auch gegenseitig. In einem minimalen Rahmen kann ich die Anzahl der Beziehungen verändern, d.h. vermehren und in demselben Maße verringern sich auch die Verlustängste. Sind das Wesenseigenschaften oder Wesenszüge? Die Monogamie, die Ausrichtung auf einen Menschen, eine soziale Tätigkeit, einen Gesprächskreis im Internet?         

Je länger ich in dieser Woche meine „Wesenszüge“ oder die „wahre Natur“ habe ausfindig machen wollen, desto vergeblicher ist es mir vorgekommen. Je nach Tagesstimmung haben die Wesenszüge gewechselt, vielleicht fehlt mir im Augenblick die Distanz zu mir, aber egal warum, es ist an dieser Stelle eine Lücke. Das stört mich auch gar nicht. Möglicherweise können oder könnten andere Menschen das besser beurteilen als ich.               

F.

 

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Brief 200 | Glimmer

Liebe F.,

Fuzzy

Ich veranschauliche es mir. Bei der Nicht-Notwendigkeit alles Bestehenden denke ich mir alles, was besteht, weg und dann ist da ein Loch, ein Nichts. Das aber kommt mir widersinnig vor, denn um mich herum gibt es ja all die Dinge und Tatsachen, die bestehen. Bei der Realisierung von Möglichkeiten dagegen bleibt alles Bestehende vor meinem inneren Auge bestehen, aber außerhalb dessen sehe ich einen weiten, großen Bereich des Möglichen, der diffus, ungegenständlich in einem lichten Grau erscheint. Ich glaube, daraus resultiert die Offenheit und Freiheit, die ich ebenso wie Du auch wahrnehme. Aus der unendlichen Vielfalt im Horizont der Möglichkeiten haben sich einige realisiert, andere nicht. Das gilt für die große Welt als auch für die kleine Welt eines jeden Menschen.

Mir scheint, wir verstehen unter der Nicht-Notwendigkeit nicht ganz dasselbe, kommen aber zum selben Ergebnis, nämlich dem Raum der Möglichkeiten. Für dich bedeutet Nicht-Notwendigkeit zunächst, dass alles, was ist, genauso gut auch nicht sein könnte, während meine Gedanken eher in die Richtung gingen, dass alles, was ist, auch anders sein könnte. Deshalb hatte mir die Definition spontan so gut gefallen. Es ist nicht zwingend notwendig, dass etwas so ist, wie es ist, und vor allem: dass etwas so und so kommen muss. Kausalität (die ich damit nicht leugnen will) ist nicht absolut, sondern gilt sozusagen nur näherungsweise, mit einem unscharfen, „lichtgrauen“ (schön!) Spielraum an den Rändern. Die Zukunft ist (zu einem gewissen Grade) offen, und auch in meinem Handeln bin ich (zu einem gewissen Grade) frei. Fuzzy-Logik! :-) (Keine Ahnung, ob der Begriff hier passt, fiel mir nur gerade so ein.)

Am besten gefällt mir der Kontingenz-Gedanke allerdings im Hinblick auf mein eigenes Handeln. Sicher, nach dem Tod meines Mannes standen mir nicht alle Möglichkeiten zur Verfügung. „Alle“ ist ohnehin eine überhaupt nicht mehr denkbare Anzahl. Die Größe des Pools, aus dem man wählt, bestimmt sich durch den eigenen Horizont, oder nicht? Mit dem Campingbus durch die USA zu fahren, davon habe ich gehört und gelesen, insofern liegt dieses Unternehmen nicht außerhalb meines Horizontes. Ich weiß, dass man so etwas tun kann. Die Grenze des räumlichen Pools war aber viel enger gesteckt, innerhalb der Stadt, in der ich gewohnt habe und immer noch wohne. Nur erscheinen unter dem Aspekt des kontingenten Handelns die Realitäten, die ich geschaffen habe, bei weitem nicht mehr so zwingend, als sähe ich sie durch die Brille der einspurigen Notwendigkeit. Es öffnet sich der Raum für die Vielzahl von Möglichkeiten, aus denen ich am Ende jeweils eine in die Tat umgesetzt habe. Wobei man sich das natürlich als eine unablässige Folge von kleinen Handlungen vorstellen muß.

Und nicht zuletzt sehe ich meine Situation, so wie sie gegenwärtig ist, auch geöffneter, nicht nur für eine längerfristige, sondern vor allem auch für die kurzfristige Zukunft (morgen und übermorgen usf.). Es gibt keinen Plan der Notwendigkeiten, weder was mich selbst, d.h. meine Handlungen betrifft, noch für das, was mir zufällt.

Ich denke, es ist ein ständiges Changieren zwischen den vielen Möglichkeiten, die ich theoretisch habe, und den im Vergleich dazu begrenzten Möglichkeiten, die mir tatsächlich offenstehen. Wobei die Grenzen, die mir da gesteckt sind, eher psychologischer Natur sind, eher in mir als im Außen liegen, zumindest finde ich diese inneren Grenzen viel interessanter. Eine äußere Grenze könnte z.B. fehlendes Geld für was auch immer sein, und ich könnte jetzt viel Energie darauf verwenden diese Grenze zu verschieben, irgendwie „reich“ zu werden. Aber was habe ich davon? Eine innere Grenze wäre z.B. meine Schüchternheit, und diese zu verschieben verändert mich wirklich nachhaltig. Ich finde, bei uns beiden hat sich da in den letzten Jahren einiges getan. :-)

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Jetzt, beim letzten Lesen, fällt mir plötzlich die Lücke ein, die wir ziemlich zu Anfang mal thematisiert hatten – die Lücke, die der Tod unserer Männer gerissen hat. Und mir kommt es so vor, als ob sich diese Lücke im Laufe der Jahre nicht geschlossen hat, wie ich ursprünglich gedacht hatte – vielleicht erinnerst du dich an mein Bild des Baumes, dem vom Sturm eine ganze Seite weggerissen worden ist, und ich hatte mir vorgestellt, dass diese Lücke allmählich wieder wenigstens teilweise zuwächst. Sondern jetzt will es mir scheinen, als ob die Lücke, die der Tod gerissen hat, bei mir eine Öffnung bewirkt hat, eine Grenzöffnung, die ich seitdem immer weiter auszudehnen versuche, anstatt sie zu schließen.

 

„Glimmer“

Nachdem ich mich vorsichtshalber noch einmal im Netz vergewissert habe, was denn unter einem „Messie“ genau verstanden wird, möchte ich so umstandslos meinen Kopf doch lieber nicht dafür hergeben. Dennoch bin ich verblüfft, weil ich, wie mir scheint, diese beachtenswerte Gegenläufigkeit nie bedacht habe, ist sie mir überhaupt bewusst gewesen? Ich glaube nicht. Die wöchentliche Entleerung meiner Geräte und auch der Drang, in meiner Wohnung immer wieder Leere zu schaffen bzw. Dinge, die ich meine nicht mehr zu benötigen, wegzuwerfen oder wegzugeben, steht wirklich in starkem Kontrast zu meiner Aufbewahrungsfähigkeit in meinem Kopf bzw. Gedächtnis. Es könnte tatsächlich um eine ersatzweise oder symbolische Handlung gehen, dem Wunsch mich von Altlasten –und sei es denen vom Vortage- zu entledigen.

Da Du nun auf die Nützlich- bzw. Unnützlichkeit und somit auf die Unterscheidung in „angenehm“ und „unangenehm“ eingehst, schreibe ich Dir über eine neuere Erkenntnis von mir, die generell so neu nicht ist. Von Dir hatte ich vor langer Zeit den Ausdruck „trigger“ das erste Mal gehört. Hm, wahrscheinlich war er mir auch schon zuvor einmal über den Weg gelaufen, denn ich wusste, was Du meinst. Inzwischen weiß ich, dass es in der Psychologie ein Fachbegriff ist. Erst sein Kurzem weiß ich nun auch, dass es einen Gegenbegriff dazu gibt, ebenfalls ein Fachwort, nämlich das des „glimmer“. Damit bezeichnet man den Vorgang, dass kleine, nebensächliche und als schön empfundene Momente unbeabsichtigt frühere als schön erlebte Ereignisse plötzlich aktualisieren können. Da ich selber nicht mehr besonders motiviert bin, anstrengende Gedankenarbeit um Probleme vorzunehmen oder anders gesagt, herumzuproblematisieren, habe ich die „glimmer“-Idee freudig aufgegriffen. Die Aufmerksamkeit auf die unscheinbaren schönen Momente richten, ohne sie weiter zu bedenken und einfach nur unter der Erwartung, dass sie unbemerkt weiterwirken und sich zukünftig aktualisieren, wenn ich Ähnliches erfahre. Das klingt vermutlich etwas einfältig oder mechanistisch … gerade als ich diesem Eindruck widersprechen will, denke ich mir, dass es mechanistisch ist, mich aber im Moment nicht stört. Ich übe mein Gehirn darin, das Erfreuliche und Schöne zur Kenntnis zu nehmen und abzuspeichern, denn es ist völlig richtig, wie Du sagst, dass das Anhäufen negativer Erfahrungen, aus lauter Gewohnheit, „zementiert“.

„Glimmer“ – was für ein schönes Wort für eine schöne Sache! Davon hatte ich bisher noch nie gehört. Ich musste sofort an den Spruch „Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess ich nimmer“ denken, einen Merkspruch für die Zusammensetzung von Granitgestein. Granit sieht meist sehr unscheinbar aus, aber man muss ihn nur mal etwas bewegen bzw. sich selbst bewegen, um sofort das Glimmern darin zu sehen. Eine minimale Perspektivveränderung, und schon fängt so ein unscheinbarer Stein an zu glitzern und zu funkeln. Das darf man gern metaphorisch verstehen. :-)

Zur Erläuterung schiebe ich hinterher, dass ich mich nicht plötzlich dem „Denke positiv“ oder „sei positiv“-Konzept zugewandt habe (neulich las ich den Ausdruck „toxische Positivität“ als eine Diagnose der Zeit unserer Gesellschaft, Stichwort ist z.B. die „Selbstoptimierung“) und somit bestrebt bin, das Unerfreuliche und Belastende in sein Gegenteil zu verkehren. Es ist nur der Versuch und mein Bemühen, das Schöne für ebenso wahrnehmens- und aufbewahrungswert zu halten, wie ich mit dem Negativen schon lange –unbewußt verfahre.

„Ganzheitlich“ fällt mir dazu ein – auch so ein Modebegriff, aber in manchen Zusammenhängen ein recht schöner. Ganz werden, vollständig werden … Neulich war ich in einer Gruppe, in der ich mich zunächst nicht besonders wohl fühlte. Zu laute, zu schnelle Gespräche, ich stumm mittendrin … Da fiel mir ein Mann auf, der ebenfalls fast die ganze Zeit schwieg, sich dabei aber im Gegensatz zu mir wohlzufühlen schien. Als ich ihn am nächsten Tag darauf ansprach, meinte er, er sei Zeit seines Lebens sehr kommunikativ gewesen, extrovertiert, immer mittendrin, immer der Spaßmacher. Aber mit zunehmendem Alter habe er das Gefühl bekommen, dass das gar nicht seine wahre Natur sei, und nun mache er das nicht mehr. Da erzählte ich ihm, dass es sich bei mir gerade umgekehrt entwickelt: Ich, die Introvertierte, die das Alleinsein so sehr liebt, ich fühle mich plötzlich (in Maßen) zu den Menschen hingezogen. Da meinte er, wir seien wohl beide auf dem Weg vollständig zu werden. Das gefiel mir gut.

Das passt auch gut zum Thema der Kontingenz, der Möglichkeiten. Ich bin nicht festgelegt auf ein einziges Charaktermerkmal, z.B. Introvertiertheit (so war ja viele Jahrzehnte mein Selbstbild), sondern ich habe auch andere und sogar die entgegengesetzten Wesenszüge, wenn auch vielleicht in geringerem Maße. Das muss ich aber erst einmal überhaupt erkennen und anerkennen, um dieses erweiterte Repertoire auch nutzen zu können.

Und so siehst du jetzt das Positive nicht anstatt des Negativen, sondern zusätzlich. Die Welt wird größer, weiter …

B.

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Brief 199 | Kontingenz

Liebe B.,

Ich habe für mich entschieden, dass ich nicht länger versuche diese beiden Begriffe zu verstehen. Wenn es gilt, im Zen alle Konzepte loszulassen, dann fange ich mal bei diesem Konzept an. :-) Aber bevor ich damit ernst mache, will ich doch noch schnell sagen, dass ich nicht glaube, dass das Absolute (im buddhistischen Verständnis) irgendetwas Unsichtbares ist. Im Gegenteil, das ist ja gerade der Witz, dass das Absolute und das Relative im Grunde identisch sind. Aber ich lege das Thema jetzt erst einmal ad acta. Ich könnte noch seitenlang darüber schreiben, was angesichts meines Fast-Nichts-Verständnisses völlig absurd wäre.

Gut, ich lege das Thema dann in eine lichtblaue Mappe, wo es endgültig ruhen oder aber auch Wurzeln schlagen darf.  

 

Kontingenz

Ja, Kontingenz ist ein Begriff, den ich auch sehr mag, auf den ich in diesem Zusammenhang aber merkwürdigerweise gar nicht gekommen bin; dabei passt er so gut. Da ich oft über die Etymologie gehe, habe ich mir eben den Wikipedia-Artikel aufgerufen und bin da gleich zu Anfang auf die philosophische Definition gestoßen, wonach man unter Kontingenz „die Nicht-Notwendigkeit alles Bestehenden“ versteht. Weiter habe ich gar nicht gelesen, weil ich das so schön fand. Für mich bedeutet das keine willkürliche Beliebigkeit, sondern die Freiheit und Offenheit, dass vielleicht nicht alles, aber doch vieles auch anders sein könnte.

Ich habe den Begriff, soweit ich mich erinnere, das allererste Mal in einer der Autobiographien von S. de Beauvoir gelesen. Sie erzählt, dass ihr Lebensgefährte Sartre ihrer beider Beziehung eine „notwendige“ genannt hat, während alle anderen Beziehungen, seine zu anderen Frauen dürften gemeint sein, „kontingente“ Beziehungen seien. Obwohl ich später dann Sartres „dickes“ Werk mit dem Titel „Das Sein und das Nichts“ gründlich durchgearbeitet habe, erinnere ich nicht, ob das Wort „kontingent“ in seiner Philosophie überhaupt eine Rolle spielt. Das ist jetzt aber auch egal, weil ich es schöner finde, über die „Kontingenz“ noch ein wenig nachzusinnen.

Mir fällt zuerst „Zufall“ ein, allerdings in Deiner Abwandlung, die mich immer angesprochen hat. „Zufall“ trägt die Beliebigkeit in sich, wie ich finde, es ist alles gleichgültig, es geschieht oder geschieht nicht. Du jedoch hast das ungebräuchliche Verb „zufallen“ ins Licht gerückt, das die Aufmerksamkeit von der willkürlichen Beliebigkeit abzieht. Die Nicht-Notwendigkeit alles Bestehenden bedeutet auf der anderen Seite die Realisierung von Möglichkeiten. „Kontingent“ ist etwas, das möglich ist.

Ich veranschauliche es mir. Bei der Nicht-Notwendigkeit alles Bestehenden denke ich mir alles, was besteht, weg und dann ist da ein Loch, ein Nichts. Das aber kommt mir widersinnig vor, denn um mich herum gibt es ja all die Dinge und Tatsachen, die bestehen. Bei der Realisierung von Möglichkeiten dagegen bleibt alles Bestehende vor meinem inneren Auge bestehen, aber außerhalb dessen sehe ich einen weiten, großen Bereich des Möglichen, der diffus, ungegenständlich in einem lichten Grau erscheint. Ich glaube, daraus resultiert die Offenheit und Freiheit, die ich ebenso wie Du auch wahrnehme. Aus der unendlichen Vielfalt im Horizont der Möglichkeiten haben sich einige realisiert, andere nicht. Das gilt für die große Welt als auch für die kleine Welt eines jeden Menschen.     

Unter der Annahme, notwendig sei, was einem Menschen „zufällt“, notwendig sei auch die Antwort auf das, was einem Menschen widerfährt und in der Folge dann wieder die Notwendigkeit der daraus resultierenden Situation, sehe ich das Bild eines um den Körper gebundenen Korsetts, das wenig Raum zum Atmen lässt. Alles, was ist, muß genau so sein, wie es ist, denn es gibt jeweils nur eine einzige Möglichkeit – diejenige nämlich, die notwendig und deswegen verwirklicht ist.  

Am besten gefällt mir der Kontingenz-Gedanke allerdings im Hinblick auf mein eigenes Handeln. Sicher, nach dem Tod meines Mannes standen mir nicht alle Möglichkeiten zur Verfügung. „Alle“ ist ohnehin eine überhaupt nicht mehr denkbare Anzahl. Die Größe des Pools, aus dem man wählt, bestimmt sich durch den eigenen Horizont, oder nicht? Mit dem Campingbus durch die USA zu fahren, davon habe ich gehört und gelesen, insofern liegt dieses Unternehmen nicht außerhalb meines Horizontes. Ich weiß, dass man so etwas tun kann. Die Grenze des räumlichen Pools war aber viel enger gesteckt, innerhalb der Stadt, in der ich gewohnt habe und immer noch wohne. Nur erscheinen unter dem Aspekt des kontingenten Handelns die Realitäten, die ich geschaffen habe, bei weitem nicht mehr so zwingend, als sähe ich sie durch die Brille der einspurigen Notwendigkeit. Es öffnet sich der Raum für die Vielzahl von Möglichkeiten, aus denen ich am Ende jeweils eine in die Tat umgesetzt habe. Wobei man sich das natürlich als eine unablässige Folge von kleinen Handlungen vorstellen muß.

Und nicht zuletzt sehe ich meine Situation, so wie sie gegenwärtig ist, auch geöffneter, nicht nur für eine längerfristige, sondern vor allem auch für die kurzfristige Zukunft (morgen und übermorgen usf.). Es gibt keinen Plan der Notwendigkeiten, weder was mich selbst, d.h. meine Handlungen betrifft, noch für das, was mir zufällt.

 

„Glimmer“  

Bitte entschuldige den etwas despektierlichen Vergleich, der mir beim Lesen kam, aber ich musste an Messies denken, die nicht, weil sie unordentlich sind, sondern angeblich auch aus diesem Wunsch von Kontrolle heraus nichts wegwerfen können – es könnte ja noch irgendwann nützlich oder wichtig werden, und man muss ja auf alles vorbereitet sein, sonst passiert eine Katastrophe. So ähnlich stellte ich es mir gerade in deinem Kopf vor: Eine Unmenge von Erinnerungen an negative Erlebnisse – alte, uralte, neuere … alle wichtig, alle müssen aufbewahrt, ja mehr noch, müssen ständig präsent sein …

Ach nein, es gibt nichts zu entschuldigen, denn Deinen Vergleich finde ich wirklich gelungen. Ich denke sofort an meinen Entleerungs- und Wegwerffimmel, der genau das Gegenteil von messiehaft ist. Ich habe von 2 Leuten gehört, die ihre Handy- und Laptopsammlung auf einen externen Speicher haben übertragen müssen, weil die Geräte selbst keinen Platz mehr boten. Aber mein Handy und mein Laptop sind leer, weil ich das Meiste gleich wieder lösche (manchmal zu rasch). Das ist also eine interessante Beobachtung: Das Wegtun im gegenständlichen Bereich und auf der anderen Seite das Ansammeln im Kopf.

Aber erfüllen diese Erinnerungen wirklich den Zweck, den du ihnen zuschreibst? Es ist doch mehr als unwahrscheinlich, dass sich eine unangenehme Situation auf genau dieselbe Weise wiederholen wird wie beim ersten Mal. In der dazwischenliegenden Zeit dreht die Welt sich weiter, weder die Umstände noch vor allem du selbst sind morgen dieselben wie am Tag zuvor. Und es kommt mir auch kontraproduktiv vor, zum Schutz vor der Wiederholung eines unangenehmen Ereignisses mir genau dieses Ereignis immer wieder vorzustellen. Damit zementiert man doch nur die Bahnen, die dafür sorgen, dass es beim nächsten Mal womöglich tatsächlich wieder fast genauso ablaufen wird. Viel sinnvoller wäre es doch mich daran zu erinnern, welche von meinen Reaktionen in dieser Situation gut gewesen ist, oder mir vorzustellen, was ich beim nächsten Mal anders machen würde. Das heißt, wenn man dieses Ereignis schon nicht loslassen kann (was man ja gar nicht immer in der Gewalt hat), dann es doch wenigstens weiterentwickeln.

Nachdem ich mich vorsichtshalber noch einmal im Netz vergewissert habe, was denn unter einem „Messie“ genau verstanden wird, möchte ich so umstandslos meinen Kopf doch lieber nicht dafür hergeben. Dennoch bin ich verblüfft, weil ich, wie mir scheint, diese beachtenswerte Gegenläufigkeit nie bedacht habe, ist sie mir überhaupt bewusst gewesen? Ich glaube nicht. Die wöchentliche Entleerung meiner Geräte und auch der Drang, in meiner Wohnung immer wieder Leere zu schaffen bzw. Dinge, die ich meine nicht mehr zu benötigen, wegzuwerfen oder wegzugeben, steht wirklich in starkem Kontrast zu meiner Aufbewahrungsfähigkeit in meinem Kopf bzw. Gedächtnis. Es könnte tatsächlich um eine ersatzweise oder symbolische Handlung gehen, dem Wunsch mich von Altlasten –und sei es denen vom Vortage- zu entledigen.

Da Du nun auf die Nützlich- bzw. Unnützlichkeit und somit auf die Unterscheidung in „angenehm“ und „unangenehm“ eingehst, schreibe ich Dir über eine neuere Erkenntnis von mir, die generell so neu nicht ist. Von Dir hatte ich vor langer Zeit den Ausdruck „trigger“ das erste Mal gehört. Hm, wahrscheinlich war er mir auch schon zuvor einmal über den Weg gelaufen, denn ich wusste, was Du meinst. Inzwischen weiß ich, dass es in der Psychologie ein Fachbegriff ist. Erst sein Kurzem weiß ich nun auch, dass es einen Gegenbegriff dazu gibt, ebenfalls ein Fachwort, nämlich das des „glimmer“. Damit bezeichnet man den Vorgang, dass kleine, nebensächliche und als schön empfundene Momente unbeabsichtigt frühere als schön erlebte Ereignisse plötzlich aktualisieren können. Da ich selber nicht mehr besonders motiviert bin, anstrengende Gedankenarbeit um Probleme vorzunehmen oder anders gesagt, herumzuproblematisieren, habe ich die „glimmer“-Idee freudig aufgegriffen. Die Aufmerksamkeit auf die unscheinbaren schönen Momente richten, ohne sie weiter zu bedenken und einfach nur unter der Erwartung, dass sie unbemerkt weiterwirken und sich zukünftig aktualisieren, wenn ich Ähnliches erfahre. Das klingt vermutlich etwas einfältig oder mechanistisch … gerade als ich diesem Eindruck widersprechen will, denke ich mir, dass es mechanistisch ist, mich aber im Moment nicht stört. Ich übe mein Gehirn darin, das Erfreuliche und Schöne zur Kenntnis zu nehmen und abzuspeichern, denn es ist völlig richtig, wie Du sagst, dass das Anhäufen negativer Erfahrungen, aus lauter Gewohnheit, „zementiert“.

Zur Erläuterung schiebe ich hinterher, dass ich mich nicht plötzlich dem „Denke positiv“ oder „sei positiv“-Konzept zugewandt habe (neulich las ich den Ausdruck „toxische Positivität“ als eine Diagnose der Zeit unserer Gesellschaft, Stichwort ist z.B. die „Selbstoptimierung") und somit bestrebt bin, das Unerfreuliche und Belastende in sein Gegenteil zu verkehren. Es ist nur der Versuch und mein Bemühen, das Schöne für ebenso wahrnehmens- und aufbewahrungswert zu halten, wie ich mit dem Negativen schon lange –unbewußt verfahre.

F.

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Brief 198 | Mut zur Lücke :-)

Liebe F.,

Ad acta

Ich komme mit den Begriffen des „Absoluten“ und des „Relativen“ nicht klar, aber wenn Du es so wie oben beschreibst, glaube ich die Unterscheidung zu verstehen und was damit gemeint ist. Das Eine ist die Welt des Unsichtbaren, die wir nur über ein physikalisches und mathematisches Wissen erschließen können und das Andere ist die Welt, wie sie uns erscheint. Ob ich damit das „Absolute“ und das „Relative“ wirklich richtig erfasst habe, steht auf einem anderen Blatt.

Ich habe für mich entschieden, dass ich nicht länger versuche diese beiden Begriffe zu verstehen. Wenn es gilt, im Zen alle Konzepte loszulassen, dann fange ich mal bei diesem Konzept an. :-) Aber bevor ich damit ernst mache, will ich doch noch schnell sagen, dass ich nicht glaube, dass das Absolute (im buddhistischen Verständnis) irgendetwas Unsichtbares ist. Im Gegenteil, das ist ja gerade der Witz, dass das Absolute und das Relative im Grunde identisch sind. Aber ich lege das Thema jetzt erst einmal ad acta. Ich könnte noch seitenlang darüber schreiben, was angesichts meines Fast-Nichts-Verständnisses völlig absurd wäre.

 

Gelebte Weisheit

Vor Kurzem habe ich an einem Sonntag für ungefähr 3 Stunden mit 2 anderen Leuten –im Internet- Schach gespielt. Es hat sich so ergeben, ich hatte keinen Plan vorher –und erst nachdem das Spiel dann zuende war, wurde mir klar, dass ich tatsächlich mehrmals für einige Zeit so gefesselt an die Problemlösung war, dass ich nichts anderes mehr im Kopf hatte als die Stellung der Figuren und wie man sie hin- und herschieben könnte. Wenn mir also etwas Spaß macht, dann bin ich achtsam und konzentriert, und macht mir etwas keinen Spaß, dann bin ich allüberall und nur nicht bei dem, was ich gerade tue.

Absichtslose Hingabe – schön! :-) Wobei man natürlich auch ganz bei einer Sache sein kann, die einem keinen Spaß macht, indem man nämlich die ganze Zeit, während man mit ihr beschäftigt ist, vor sich hin wütet oder grummelt, wie blöd oder unangenehm oder langweilig das doch ist, was man da tun muss, und jeder Handgriff ist ein großes Ärgernis … Der Unterschied wäre dann vielleicht, dass man bei einer angenehmen Sache sich selbst vergisst, während man bei der unangenehmen Sache sich selbst gerade nicht vergessen kann, sondern unentwegt mit der eigenen Abwehr kämpft.

Mein Bruder fragte neulich einmal, wie unsere Mutter ihr Leben wohl gesehen habe und fügte gleich anschließend hinzu, dass sie eine solche Frage sicher nicht hätte beantworten können, weil sie einfach lebenspraktisch ihren Alltag bewältigt hätte. Und eben denke ich mir dazu, dass zum Beispiel ZaZen oder auch andere spirituelle Techniken und die sie begründenden Weltentwürfe für die Leute da sind, die viel über die Welt und das Leben nachdenken. Sie müssen vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden. Das ist reichlich plakativ und auch simplifizierend, denn natürlich bleibt die Reflexion im Hintergrund und geht nicht verloren, aber der wesentliche Aspekt scheint mir dennoch erfasst.

Mir fällt dazu als Gegenrede gleich ein, dass viele spirituelle Weltsichten (als ob ich viele kennen würde …) die Leute gerade nicht vom Kopf auf die Füße stellen, sondern sie eher noch weiter vom Alltag entfernen – Stichwort „Esoterik“. Das gibt es übrigens auch im Zen, um das nicht zu verschweigen.

Und ich bin mir auch nicht so sicher, ob nicht auch Menschen, die vollauf mit der Bewältigung ihres vielleicht sehr anstrengenden Alltags beschäftigt sind, sich nicht auch Fragen nach dem oder ihrem Leben stellen, nur eben in einem anderen Rahmen, nicht so theoretisch, sondern eben mehr lebenspraktisch, wie du es nennst. Es kommt immer wieder vor, dass mich Menschen mit einer tiefsinnigen Bemerkung über das Leben überraschen, bei denen ich gar nicht damit gerechnet hätte. Das ist dann kein abgehobenes Theoretisieren, sondern gelebte Weisheit, so kommt es mir jedenfalls vor.

 

Kontingenz

Du hattest es bemerkt, daß ich in meinem letzten Brief am Ende immer weniger wusste, was ich nun eigentlich gemeint hatte mit dem Aufgeben des Suchens nach dem „roten Faden“. Und als ich nun die Überschrift las, dachte ich sofort „ja, das ist es, was ich meinte und meine“. Das ist der Kern dessen, was sich in meiner Sicht auf mein Leben verändert hat. Daß ich in den zufallsbedingten Situationen dann nicht beliebig, sondern aus inneren Notwendigkeiten mich für dies oder jenes zu tun entschieden habe, fügt sich in den Rahmen der Zufälle und ach, ein schönes Wort, des Kontingenten ein.

Ja, Kontingenz ist ein Begriff, den ich auch sehr mag, auf den ich in diesem Zusammenhang aber merkwürdigerweise gar nicht gekommen bin; dabei passt er so gut. Da ich oft über die Etymologie gehe, habe ich mir eben den Wikipedia-Artikel aufgerufen und bin da gleich zu Anfang auf die philosophische Definition gestoßen, wonach man unter Kontingenz „die Nicht-Notwendigkeit alles Bestehenden“ versteht. Weiter habe ich gar nicht gelesen, weil ich das so schön fand. Für mich bedeutet das keine willkürliche Beliebigkeit, sondern die Freiheit und Offenheit, dass vielleicht nicht alles, aber doch vieles auch anders sein könnte.

 

Mut zur Lücke :-)

Die Vergesslichkeit ist ein spannender Punkt, der mich vor mehreren Wochen angefangen hat zu beschäftigen. Schön, dass Du mich wieder daran erinnert hast, denn ich hatte doch tatsächlich vergessen, mich weiter mit der Vergesslichkeit zu befassen.

:-)))

„Ich darf vergessen“ ist der Schlüsselsatz. Wenn ich etwas vergesse, passiert überhaupt gar nichts. Ich meine damit nicht, aufzupassen, dass ich den Wohnungstürschlüssel immer bei mir habe, und ich meine damit auch nicht, einen Unterrichtstermin zu vergessen oder den Abgabetermin für meinen Brief, sondern ich meine damit genau das, wie Du es oben ausdrückst irgendetwas „Blödes“, irgendetwas Unangenehmes vergessen. Welche Funktion hat es, ergibt es irgendeinen Sinn, solche unangenehmen Zustände, Erlebnisse aufzubewahren, nicht vergessen zu dürfen? Legt man einmal die Hand auf eine glühend heiße Herdplatte, ein klassisches Beispiel für das Lernen aus Erfahrung, dann wird man es zukünftig wahrscheinlich nie wieder tun. Das Gehirn speichert dieses Erlebnis ab. Was aber macht es für einen Sinn, das unangenehme Erlebnis von vorgestern abzuspeichern und mitzunehmen in den heutigen Tag? Evolutionsbiologisch sei es vorteilhaft, wenn das Gehirn sich die negativen Erfahrungen leichter, dauerhafter und stärker einpräge als die positiven Erfahrungen, las ich. Die heiße Herdplatte könnte man hier einordnen.

Ich verstehe nicht – wieso „vergessen dürfen“? Wer oder was sollte dir denn das Vergessen verbieten wollen? Wessen Stimme spricht da in dir? Mal abgesehen davon, dass man sowieso nicht aktiv vergessen kann – vergessen kann man nicht machen, es kann sich nur ereignen. Aber so, wie du es schreibst, liest es sich für mich, als ob du dich absichtlich anstrengst gewisse (vor allem unangenehme) Sachen nicht zu vergessen? Aber wozu? – Du erklärst es im nächsten Abschnitt:

Meine Überlegung geht in die Richtung von „Kontrolle“ als Funktion dieses Phänomens. Vergesse ich das „Blöde“ vom Vortag, von vorgestern, dann könnte es mich demnächst einmal überraschen, überrollen? Bewahre ich es bewusst auf, dann kann ich nicht überrascht werden. Es kommt darauf an, was „real geschieht“ und nicht darauf, was ich zuvor oder danach „darüber denke“. Ja, besonders was das „davor“ angeht, scheint es einen ähnlichen Zweck zu erfüllen wie das Aufbewahren, es ist eine Form der Kontrolle, des Vorbereitens auf das, was real geschehen wird.

Bitte entschuldige den etwas despektierlichen Vergleich, der mir beim Lesen kam, aber ich musste an Messies denken, die nicht, weil sie unordentlich sind, sondern angeblich auch aus diesem Wunsch von Kontrolle heraus nichts wegwerfen können – es könnte ja noch irgendwann nützlich oder wichtig werden, und man muss ja auf alles vorbereitet sein, sonst passiert eine Katastrophe. So ähnlich stellte ich es mir gerade in deinem Kopf vor: Eine Unmenge von Erinnerungen an negative Erlebnisse – alte, uralte, neuere … alle wichtig, alle müssen aufbewahrt, ja mehr noch, müssen ständig präsent sein …

Aber erfüllen diese Erinnerungen wirklich den Zweck, den du ihnen zuschreibst? Es ist doch mehr als unwahrscheinlich, dass sich eine unangenehme Situation auf genau dieselbe Weise wiederholen wird wie beim ersten Mal. In der dazwischenliegenden Zeit dreht die Welt sich weiter, weder die Umstände noch vor allem du selbst sind morgen dieselben wie am Tag zuvor. Und es kommt mir auch kontraproduktiv vor, zum Schutz vor der Wiederholung eines unangenehmen Ereignisses mir genau dieses Ereignis immer wieder vorzustellen. Damit zementiert man doch nur die Bahnen, die dafür sorgen, dass es beim nächsten Mal womöglich tatsächlich wieder fast genauso ablaufen wird. Viel sinnvoller wäre es doch mich daran zu erinnern, welche von meinen Reaktionen in dieser Situation gut gewesen ist, oder mir vorzustellen, was ich beim nächsten Mal anders machen würde. Das heißt, wenn man dieses Ereignis schon nicht loslassen kann (was man ja gar nicht immer in der Gewalt hat), dann es doch wenigstens weiterentwickeln.

Du hast geschrieben, der gestrige Tag sei am Folgetag verschwunden, es sei denn usw. Darauf kommt es mir an, wenn ich die „gnädige Vergesslichkeit“ sage. Und da mir das „Dürfen“ wichtig ist, scheint die  positive Perspektive entscheidend. Mit der positiven Perspektive meine ich das befreiende Moment. Heute ist ein neuer, ein anderer Tag, an dem Neues, Anderes sich um mich herum und in mir ereignen kann. Dir ist es in die Wiege gelegt, die Vergesslichkeit; von mir kann ich es gar nicht sagen, weil ich noch niemals darüber nachgedacht hatte. Ich fand normal, wie es für mich war. Ich habe auch tatsächlich vergessen, was eigentlich der Anlaß war, mich mit dem angenehmen Vergessen zu befassen – achso, klar, mich haben die Schatten des jeweils gestrigen Tages einfach gestört, ich habe sie als unangenehm und überflüssig mich belästigend empfunden. Zum Schluß fällt mir ein zu fragen, ob das „Verschwinden“, wie du es nennst, wohl Lücken macht? :-)

Ja klar macht es Lücken – Gottseidank! :-)))

B.

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Brief 197 | Die gnädige Vergesslichkeit

Liebe B.,

Das Mysterium der „Verschränkung“

Ich beginne aber mit einem Bereich, der mir gedanklich vertrauter ist, nämlich mit einer naturwissenschaftlichen Sichtweise auf die Welt. Auf einer ganz elementaren Ebene besteht alles, einschließlich unserer selbst, aus Protonen und Elektronen sowie ganz viel leerem Raum drumherum. Auf dieser elementaren Ebene ist also alles gleich. Auf der phänomenalen Ebene dagegen gibt es die ausdifferenzierte Dingwelt. Diese beiden „Welten“ existieren aber nicht getrennt voneinander, sondern sind immer gleichzeitig da. Ich bin ein von anderen Dingen unterschiedenes Ding UND ich bestehe wie alle anderen Dinge aus Elektronen und Protonen und ganz viel leerem Raum.

Ich komme mit den Begriffen des „Absoluten“ und des „Relativen“ nicht klar, aber wenn Du es so wie oben beschreibst, glaube ich die Unterscheidung zu verstehen und was damit gemeint ist. Das Eine ist die Welt des Unsichtbaren, die wir nur über ein physikalisches und mathematisches Wissen erschließen können und das Andere ist die Welt, wie sie uns erscheint. Ob ich damit das „Absolute“ und das „Relative“ wirklich richtig erfasst habe, steht auf einem anderen Blatt.

Als ein Mensch bin ich für eine bestimmte Zeit aus Protonen und Elektronen zusammengesetzt und so wie ich als dieses Einzelding irgendwann entstanden bin, werde ich irgendwann wieder in die Protonen und Elektronen zerfallen. Gefällt mir dieser Gedanke? Ich weiß es nicht zu sagen. Ich nehme ihn erst einmal so hin und bin froh, Dich ansatzweise verstanden zu haben.

In buddhistischer Terminologie könnte man vielleicht sagen: Nichts hat eine feste, wesenhafte Natur, alles ist nur ein endloses Wechselspiel aus gegenseitig bedingtem Entstehen und Vergehen. Gleichzeitig gibt es aber die feste Welt der zehntausend Dinge. (Ich mag diesen Ausdruck der „zehntausend Dinge“ sehr!) Oder: Auf der absoluten Ebene gibt es nur einen einzigen Moment, aber auf der relativen Ebene leben wir in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. BEIDES ist richtig.

Vielleicht in einem Bild, um es mir zu veranschaulichen: Das Blatt, das von einem Baum fällt, irgendwann zu Erde wird, aus der später dann wieder ein Baum entsteht, wäre das gegenseitig bedingte „Entstehen“ und „Vergehen“. Hm, das ist wahrscheinlich viel zu sehr auf der Erscheinungsebene gemalt, denn eigentlich geht es ja um die unsichtbare Welt bzw. um die Verschränktheit der beiden Ebenen. Auch bei der Übertragung in die zeitliche Dimension bekomme ich Schwierigkeiten. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist das, wie wir die Welt wahrnehmen, wie sie uns erscheint, aber ich würde jetzt nicht den „Moment“ für das Absolute ansehen, sondern die Zeitlosigkeit, die Aufhebung der zeitlichen Dimension. Achso, vielleicht meint der „Moment“ aber genau dies. Vielleicht könnte ich stattdessen sagen, auf der absoluten Ebene gibt es keine Zeit.

[…] Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass diese Vorstellung, dass wir auf einer bestimmten Ebene alle gleich sind (womit ich jetzt nicht die atomare Ebene meine, sondern mehr, dass wir alle Menschen mit denselben grundlegenden Bedürfnissen sind), langsam, aber stetig in mein Bewusstsein tröpfelt und viel verändert. Vielleicht kommt es daher, was ich in meiner Mail neulich schrieb, dass ich seit einiger Zeit das Gefühl habe, nicht mehr so viel Zeit für mich selbst zu brauchen, weil es gar nicht MEINE Zeit ist.

Ich habe versucht, über ein Bild die Idee zumindest emotional für mich fassbar zu machen, aber ich sehe nichts. Mir fällt nur auf, dass ich unbemerkt immer wieder in ein „entweder-oder“ gerate, so als müsste ich mich entscheiden, die Welt  s o  oder  s o  zu sehen. Das Entscheidende muß ich mir beständig neu bewusst machen: Wie Du eingangs geschrieben hast, sind es 2 Welten, die beide gleichzeitig existieren. Und wie die beiden Welten nun aber gleichzeitig existieren, das kann ich –noch- nicht sehen. Dieses „sehen“ meine ich nicht metaphorisch, sondern wörtlich. Ich brauche ein Bild für die Verschränktheit. Schwierigschwierig – das alles :-))).

 

Vergiss die Achtsamkeit! :-)

Mein Zenlehrer sagt dazu: Vergiss die Achtsamkeit! :-))) Wenn du versuchst, etwas ganz bewusst mit voller Aufmerksamkeit zu tun, dann bist du nicht bei dem Tun, sondern bei der Aufmerksamkeit. „Ich bin jetzt mal gaaanz aufmerksam!“ * schulterklopf *

Das ist natürlich eine von diesen wunderbaren zendialektischen Provokationen, von denen es so viele gibt. Und wie so oft ist es eine Verkürzung, die man nicht so wörtlich nehmen darf – und dann wieder doch … Natürlich kann es nicht schaden, die vielen Kleinigkeiten des Alltags mit ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu verrichten, schließlich ist DAS gerade mein Leben. Außerdem kann es auch Spaß machen, zumindest erlebe ich das oft so, wenn man sich für eine Weile ganz einer Sache hingibt, auf die man sonst keinen Gedanken verschwendet. Aber man sollte es damit auch nicht übertreiben (s.o.). Zen wurzelt zu einem Gutteil ja auch im Daoismus, und da gibt es das Prinzip des Wuwei, des Nicht-Tuns. Die Dinge nicht forcieren, sondern ihnen einfach ihren natürlichen Lauf lassen, auch dem eigenen Tun. Nicht schieben, sondern fließen lassen.

Vor Kurzem habe ich an einem Sonntag für ungefähr 3 Stunden mit 2 anderen Leuten –im Internet- Schach gespielt. Es hat sich so ergeben, ich hatte keinen Plan vorher –und erst nachdem das Spiel dann zuende war, wurde mir klar, dass ich tatsächlich mehrmals für einige Zeit so gefesselt an die Problemlösung war, dass ich nichts anderes mehr im Kopf hatte als die Stellung der Figuren und wie man sie hin- und herschieben könnte. Wenn mir also etwas Spaß macht, dann bin ich achtsam und konzentriert, und macht mir etwas keinen Spaß, dann bin ich allüberall und nur nicht bei dem, was ich gerade tue.

Mein Bruder fragte neulich einmal, wie unsere Mutter ihr Leben wohl gesehen habe und fügte gleich anschließend hinzu, dass sie eine solche Frage sicher nicht hätte beantworten können, weil sie einfach lebenspraktisch ihren Alltag bewältigt hätte. Und eben denke ich mir dazu, dass zum Beispiel ZaZen oder auch andere spirituelle Techniken und die sie begründenden Weltentwürfe für die Leute da sind, die viel über die Welt und das Leben nachdenken. Sie müssen vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden. Das ist reichlich plakativ und auch simplifizierend, denn natürlich bleibt die Reflexion im Hintergrund und geht nicht verloren, aber der wesentliche Aspekt scheint mir dennoch erfasst.   

Um deine Frage zu beantworten: Nein, ich glaube nicht, dass ich durch das Meditieren im Alltag bewusster geworden bin. Meistens geht es mir so, wie du es beschrieben hast: Während ich etwas Routinehaftes tue, sind meine Gedanken ganz woanders. Ich habe mich andererseits schon immer leicht in eine Sache verlieren können und bin dann ganz bei dem, was ich tue, ohne viel nachzudenken. Das ist also nichts, was sich durch die Meditation entwickelt hat. Der Unterschied zu früher ist vielleicht der, dass es mir jetzt öfter bewusst wird, wenn ich nicht wirklich bei der Sache gewesen bin, aber meistens erst im Nachhinein. Das ist ja auch schon mal was …

Das widerspricht meiner These von oben! Nein, doch nicht, denn Du hast ein verstärktes Bewusstsein Deiner Abwesenheit – wenn auch oft nur rückblickend.

 

Der rote Faden des Zufalls

Als ich das las, kam ich ins Grübeln: Gibt es nun den roten Faden oder gibt es ihn nicht? Ich hatte ihn ja tendenziell als fiktiv dargestellt, aber ich denke, das ist wieder so eine von den Entweder-Oder-Fragen, die in ein Sowohl-als-auch münden. In unserem Leben ereignet sich ein Zufall nach dem anderen und wir kommen immer wieder an Weggabelungen; aber welchen Weg wir dann einschlagen, ist nicht rein zufällig, sondern ergibt sich aus unserer Vergangenheit, unserem Charakter, unseren Wünschen … die dann wiederum beeinflusst werden durch die eben getroffene Entscheidung, durch die Zufälle, die uns nun begegnen und immer so weiter und so weiter … Die Wirklichkeit ist halt komplex, das macht das Denken so mühsam! :-)

Du hattest es bemerkt, daß ich in meinem letzten Brief am Ende immer weniger wusste, was ich nun eigentlich gemeint hatte mit dem Aufgeben des Suchens nach dem „roten Faden“. Und als ich nun die Überschrift las, dachte ich sofort „ja, das ist es, was ich meinte und meine“. Das ist der Kern dessen, was sich in meiner Sicht auf mein Leben verändert hat. Daß ich in den zufallsbedingten Situationen dann nicht beliebig, sondern aus inneren Notwendigkeiten mich für dies oder jenes zu tun entschieden habe, fügt sich in den Rahmen der Zufälle und ach, ein schönes Wort, des Kontingenten ein.     

 

Die gnädige Vergesslichkeit

Gepriesen sei meine Vergesslichkeit! Wenn am Vortag nicht etwas sehr Blödes passiert ist, dann ist der Tag am nächsten Morgen einfach verschwunden bei mir. […]

Heute Morgen habe ich mich beobachtet und gemerkt, dass ich, als der Gedanke an einen (angenehmen) Termin am Abend auftauchte, ich automatisch gedacht habe: „Jetzt nicht“. Diesen Satz habe ich bei der Meditation kennengelernt. Das, woran ich da denke, passiert jetzt, in diesem Augenblick, ja überhaupt nicht, darüber muss ich jetzt auch gar nicht nachdenken. Wenn ich dafür etwas planen muss, dann muss ich mich damit natürlich beschäftigen, aber es geht mir hier um das endlose Kreisen der (angenehmen oder unangenehmen) Gedanken, das einen so gefangennehmen kann. Jetzt, in diesem Moment, ist dieser Termin einfach noch nicht da, warum sollte ich mich also jetzt in Gedanken damit beschäftigen? Wenn der Termin kommt, dann werde ich mich drum kümmern, aber dann halt nicht in Gedanken, sondern real, und das ist es doch, worauf es letztlich ankommt – das, was wirklich geschieht, nicht das, was ich darüber denke.

Die Vergesslichkeit ist ein spannender Punkt, der mich vor mehreren Wochen angefangen hat zu beschäftigen. Schön, dass Du mich wieder daran erinnert hast, denn ich hatte doch tatsächlich vergessen, mich weiter mit der Vergesslichkeit zu befassen. „Ich darf vergessen“ ist der Schlüsselsatz. Wenn ich etwas vergesse, passiert überhaupt gar nichts. Ich meine damit nicht, aufzupassen, dass ich den Wohnungstürschlüssel immer bei mir habe, und ich meine damit auch nicht, einen Unterrichtstermin zu vergessen oder den Abgabetermin für meinen Brief, sondern ich meine damit genau das, wie Du es oben ausdrückst irgendetwas „Blödes“, irgendetwas Unangenehmes vergessen. Welche Funktion hat es, ergibt es irgendeinen Sinn, solche unangenehmen Zustände, Erlebnisse aufzubewahren, nicht vergessen zu dürfen? Legt man einmal die Hand auf eine glühend heiße Herdplatte, ein klassisches Beispiel für das Lernen aus Erfahrung, dann wird man es zukünftig wahrscheinlich nie wieder tun. Das Gehirn speichert dieses Erlebnis ab. Was aber macht es für einen Sinn, das unangenehme Erlebnis von vorgestern abzuspeichern und mitzunehmen in den heutigen Tag? Evolutionsbiologisch sei es vorteilhaft, wenn das Gehirn sich die negativen Erfahrungen leichter, dauerhafter und stärker einpräge als die positiven Erfahrungen, las ich. Die heiße Herdplatte könnte man hier einordnen.

Meine Überlegung geht in die Richtung von „Kontrolle“ als Funktion dieses Phänomens. Vergesse ich das „Blöde“ vom Vortag, von vorgestern, dann könnte es mich demnächst einmal überraschen, überrollen? Bewahre ich es bewusst auf, dann kann ich nicht überrascht werden. Es kommt darauf an, was „real geschieht“ und nicht darauf, was ich zuvor oder danach „darüber denke“. Ja, besonders was das „davor“ angeht, scheint es einen ähnlichen Zweck zu erfüllen wie das Aufbewahren, es ist eine Form der Kontrolle, des Vorbereitens auf das, was real geschehen wird. Hier wäre auch Platz für das Spontansein, über das wir eine zeitlang gesprochen haben. Mit Letzterem drifte ich ab.

Du hast geschrieben, der gestrige Tag sei am Folgetag verschwunden, es sei denn usw. Darauf kommt es mir an, wenn ich die „gnädige Vergesslichkeit“ sage. Und da mir das „Dürfen“ wichtig ist, scheint die  positive Perspektive entscheidend. Mit der positiven Perspektive meine ich das befreiende Moment. Heute ist ein neuer, ein anderer Tag, an dem Neues, Anderes sich um mich herum und in mir ereignen kann. Dir ist es in die Wiege gelegt, die Vergesslichkeit; von mir kann ich es gar nicht sagen, weil ich noch niemals darüber nachgedacht hatte. Ich fand normal, wie es für mich war. Ich habe auch tatsächlich vergessen, was eigentlich der Anlaß war, mich mit dem angenehmen Vergessen zu befassen – achso, klar, mich haben die Schatten des jeweils gestrigen Tages einfach gestört, ich habe sie als unangenehm und überflüssig mich belästigend empfunden. Zum Schluß fällt mir ein zu fragen, ob das „Verschwinden“, wie du es nennst, wohl Lücken macht? :-)                   

F.

 

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Brief 196 | Der rote Faden des Zufalls

Liebe F.,

Verschränkung

Nun hast Du ein drittes Mal die „Verschränkung von Relativem und Absolutem“ erwähnt und erneut dazu gesagt, Du verstündest diese Idee -noch- nicht wirklich. Das ist ärgerlich, denn inzwischen bin ich natürlich zunehmend neugierig geworden, was es damit genau auf sich hat.

Oh je! :-) Genau kann ich dir das nicht sagen, aber ich will versuchen es irgendwie so zu beschreiben, wie ich mir das vorstelle. Ob ich damit den buddhistischen Gedanken treffe, sei dahingestellt …

Ich beginne aber mit einem Bereich, der mir gedanklich vertrauter ist, nämlich mit einer naturwissenschaftlichen Sichtweise auf die Welt. Auf einer ganz elementaren Ebene besteht alles, einschließlich unserer selbst, aus Protonen und Elektronen sowie ganz viel leerem Raum drumherum. Auf dieser elementaren Ebene ist also alles gleich. Auf der phänomenalen Ebene dagegen gibt es die ausdifferenzierte Dingwelt. Diese beiden „Welten“ existieren aber nicht getrennt voneinander, sondern sind immer gleichzeitig da. Ich bin ein von anderen Dingen unterschiedenes Ding UND ich bestehe wie alle anderen Dinge aus Elektronen und Protonen und ganz viel leerem Raum.

In buddhistischer Terminologie könnte man vielleicht sagen: Nichts hat eine feste, wesenhafte Natur, alles ist nur ein endloses Wechselspiel aus gegenseitig bedingtem Entstehen und Vergehen.Gleichzeitig gibt es aber die feste Welt der zehntausend Dinge. (Ich mag diesen Ausdruck der „zehntausend Dinge“ sehr!) Oder: Auf der absoluten Ebene gibt es nur einen einzigen Moment, aber auf der relativen Ebene leben wir in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. BEIDES ist richtig.

Das (für mich) Schöne an dieser Sichtweise ist, dass es keine außergewöhnliche Erkenntnis ist, sondern ein Gemeinplatz. Man kann das zur Kenntnis nehmen, vielleicht ein wenig darüber staunen und sein Leben anschließend ganz normal weiterleben, es hat keinen direkten Einfluss darauf. Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass diese Vorstellung, dass wir auf einer bestimmten Ebene alle gleich sind (womit ich jetzt nicht die atomare Ebene meine, sondern mehr, dass wir alle Menschen mit denselben grundlegenden Bedürfnissen sind), langsam, aber stetig in mein Bewusstsein tröpfelt und viel verändert. Vielleicht kommt es daher, was ich in meiner Mail neulich schrieb, dass ich seit einiger Zeit das Gefühl habe, nicht mehr so viel Zeit für mich selbst zu brauchen, weil es gar nicht MEINE Zeit ist.

 

Vergiss die Achtsamkeit! :-)

Ja, ich denke, Du hast recht. Wozu wir dann feststellen könnten, dass sich die spirituellen Traditionen teilweise sehr ähnlich sind, denn die Konzentration auf das, was jetzt zu tun ist und getan wird, die spielt im ZaZen ebenso, wie ich von Dir weiß, eine große Rolle. Wie wirkt sich das Üben im ZaZen in dieser Hinsicht auf Deine Alltagsverrichtungen aus? Bist Du Dir der "Einmaligkeit des Momentes", wie Du es ausgedrückt hast, öfter bewußt? Als ich es eben so bedachte, ist mir klargeworden, dass ich die üblichen täglichen Erledigungen wie Kaffeetrinken, die Mülltüte in den Keller bringen, das Klo putzen, die Treppe im Haus heruntergehen usw. fast nie oder nur sehr selten mit Aufmerksamkeit verrichte. Meistens bin ich mit meinen Gedanken gerade nicht im Moment, sondern schon bei irgendeiner Tätigkeit, die irgendwann später zu tun ansteht, oder ich eile in Gedanken zurück zum gestrigen Tag oder weiß der Himmel, wohin sie gerade eilen. Das ist wahrscheinlich normal, denn wozu sonst würde man in buddhistischen oder christlichen Klöstern üben, Haus- und Gartenarbeiten ruhig, langsam, leise und bedachtsam zu verrichten – so, als gäbe es nichts anderes auf der Welt zu tun als genau dies, das man in diesem Moment tut?!

Mein Zenlehrer sagt dazu: Vergiss die Achtsamkeit! :-))) Wenn du versuchst, etwas ganz bewusst mit voller Aufmerksamkeit zu tun, dann bist du nicht bei dem Tun, sondern bei der Aufmerksamkeit. „Ich bin jetzt mal gaaanz aufmerksam!“ * schulterklopf *

Das ist natürlich eine von diesen wunderbaren zendialektischen Provokationen, von denen es so viele gibt. Und wie so oft ist es eine Verkürzung, die man nicht so wörtlich nehmen darf – und dann wieder doch … Natürlich kann es nicht schaden, die vielen Kleinigkeiten des Alltags mit ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu verrichten, schließlich ist DAS gerade mein Leben. Außerdem kann es auch Spaß machen, zumindest erlebe ich das oft so, wenn man sich für eine Weile ganz einer Sache hingibt, auf die man sonst keinen Gedanken verschwendet. Aber man sollte es damit auch nicht übertreiben (s.o.). Zen wurzelt zu einem Gutteil ja auch im Daoismus, und da gibt es das Prinzip des Wuwei, des Nicht-Tuns. Die Dinge nicht forcieren, sondern ihnen einfach ihren natürlichen Lauf lassen, auch dem eigenen Tun. Nicht schieben, sondern fließen lassen.

Um deine Frage zu beantworten: Nein, ich glaube nicht, dass ich durch das Meditieren im Alltag bewusster geworden bin. Meistens geht es mir so, wie du es beschrieben hast: Während ich etwas Routinehaftes tue, sind meine Gedanken ganz woanders. Ich habe mich andererseits schon immer leicht in eine Sache verlieren können und bin dann ganz bei dem, was ich tue, ohne viel nachzudenken. Das ist also nichts, was sich durch die Meditation entwickelt hat. Der Unterschied zu früher ist vielleicht der, dass es mir jetzt öfter bewusst wird, wenn ich nicht wirklich bei der Sache gewesen bin, aber meistens erst im Nachhinein. Das ist ja auch schon mal was …

 

Der rote Faden des Zufalls

Wenn man in eine Rosenblüte hineinsieht, dann erkennt man die Staubgefäße, Fäden, den farbigen Schimmer der Blüte. Entfernt man sich einen Schritt, dann sieht man die Rose in ihrer Umgebung. So wie die räumliche Entfernung das, was man sieht, verändert, so ist es auch mit der zeitlichen Dimension. Rückblickend sieht man die längeren Linien und damit sieht man auch die unzähligen Kleinigkeiten, in die man auf dem Weg auf angenehme oder unangenehme Weise verstrickt war, anders.

[...]

Aus meiner gegenwärtigen Sicht betrachte ich die Geschichte fast neutral. Es war so, wie es war. Unter den gegebenen Umständen, das heißt den äußeren Bedingungen und der eigenen Befindlichkeit, habe ich jeweils das getan, wovon ich gemeint habe, es sei das Richtige. Daran u.a. hatte ich gedacht, als ich von dem roten Faden sprach und der Zielstrebigkeit, die zu suchen ich nun aufgeben kann.

Als ich das las, kam ich ins Grübeln: Gibt es nun den roten Faden oder gibt es ihn nicht? Ich hatte ihn ja tendenziell als fiktiv dargestellt, aber ich denke, das ist wieder so eine von den Entweder-Oder-Fragen, die in ein Sowohl-als-auch münden. In unserem Leben ereignet sich ein Zufall nach dem anderen und wir kommen immer wieder an Weggabelungen; aber welchen Weg wir dann einschlagen, ist nicht rein zufällig, sondern ergibt sich aus unserer Vergangenheit, unserem Charakter, unseren Wünschen … die dann wiederum beeinflusst werden durch die eben getroffene Entscheidung, durch die Zufälle, die uns nun begegnen und immer so weiter und so weiter … Die Wirklichkeit ist halt komplex, das macht das Denken so mühsam! :-)

 

Jetzt nicht

Einen Aspekt dieses Vorganges beobachte ich seit einiger Zeit aufmerksam und versuche, ihn an einem Beispiel zu beschreiben. Ich stehe an einem beliebigen Tag auf, verrichte die üblichen Tagesbeginnbeschäftigungen wie Kaffee trinken, duschen, ein wenig herumräumen, Fenster öffnen, den Laptop anwerfen usw. Dies alles tue ich vor dem Hintergrund und der Stimmung, dass ich später am Nachmittag zum Zahnarzt zur Zahnreinigung gehen werde. Mir ist die Prozedur aus verschiedenen Gründen unangenehm und deswegen liegt der Schatten dieses noch kommenden Ereignisses über den ihm vorausgehenden Stunden. Am nächsten Morgen wird das Erleben des vergangenen Morgens meine Stimmung prägen. Ich erlebe den neuen Morgen nicht wirklich neu, nicht wie ein unbeschriebenes Blatt Papier, sondern die Erfahrung des Morgens davor begleitet die üblichen Morgenverrichtungen. Gleichzeitig werden neue Eindrücke das Erleben beeinflussen, die ihrerseits nun in den Vordergrund rücken können, sodaß es zu einem Wechselspiel von bekannten und neuen Eindrücken kommt. Der beliebige Tag mit dem blöden Zahnarzttermin ist ja auch nur das willkürliche Setzen eines Beginns, dem schon unzählige Lebenstage vorausgegangen sind.

Gepriesen sei meine Vergesslichkeit! Wenn am Vortag nicht etwas sehr Blödes passiert ist, dann ist der Tag am nächsten Morgen einfach verschwunden bei mir. Und was im Laufe des aktuellen Tages ansteht, gerät auch immer wieder so schnell in den Hintergrund, dass ich manchmal aufpassen muss vor lauter Herumtüdelei keinen Termin zu verpassen. (Ach herrje, ich muss ja auch noch zur Arbeit! :-))) Wahrscheinlich spielen Vergangenheit und Zukunft im Untergrund eine Rolle, so wie bei dir, aber an der Oberfläche ist da jeden Morgen meistens nur die Freude auf das Frühstück (meine liebste Mahlzeit, immer wieder; es ist alles ruhig und friedlich, ich muss mich noch um nichts kümmern, ich genieße das Essen, den Tee, das Lesen …). –

Heute Morgen habe ich mich beobachtet und gemerkt, dass ich, als der Gedanke an einen (angenehmen) Termin am Abend auftauchte, ich automatisch gedacht habe: „Jetzt nicht“. Diesen Satz habe ich bei der Meditation kennengelernt. Das, woran ich da denke, passiert jetzt, in diesem Augenblick, ja überhaupt nicht, darüber muss ich jetzt auch gar nicht nachdenken. Wenn ich dafür etwas planen muss, dann muss ich mich damit natürlich beschäftigen, aber es geht mir hier um das endlose Kreisen der (angenehmen oder unangenehmen) Gedanken, das einen so gefangennehmen kann. Jetzt, in diesem Moment, ist dieser Termin einfach noch nicht da, warum sollte ich mich also jetzt in Gedanken damit beschäftigen? Wenn der Termin kommt, dann werde ich mich drum kümmern, aber dann halt nicht in Gedanken, sondern real, und das ist es doch, worauf es letztlich ankommt – das, was wirklich geschieht, nicht das, was ich darüber denke.

B.

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