In meinem letzten Brief (29) hatte ich geschrieben:
„Ich schaffe das“ [...] Wenn ich mir diesen Satz in den ersten 2 Jahren (nach dem Tod meines Mannes) gesagt habe, dann hätte er übersetzt gelautet: Ein gutes, ein erfülltes, ein als sinnvoll erfahrenes Leben zu führen – ohne meinen Mann, alleine. [...] die Liebe war ein, oder sie war das Fundament. Ich glaube, ihr Fehlen ist in der neuen Situation der größte Mangel.
Nachdem ich weiter darüber nachgedacht habe, insbesondere auch aufgrund Deines Impulses, man könne von einem „gelungenen“ oder „gelingenden“ Leben sprechen, möchte ich meine Äußerung ergänzen (mir ist die Entdeckung wichtig, Du kannst sie in Deinem Antwortbrief gerne unberücksichtigt lassen🏺).
Sowohl dem „guten“, dem „erfüllten“ als auch dem „gelingenden“ Leben ist das Wort „Sinn“ eingeschrieben. Das war die Selbstverständlichkeit, die vielleicht entscheidender noch als die gegenseitige Liebe ist. Ich kann zwar, was mein derzeitiges Leben und die Jahre meines Alleinelebens davor betrifft, sehr Vieles aufzählen, was mir an Schönem begegnet ist und was seinen Sinn in sich selbst getragen hat, aber dennoch erlebe ich mein (jetziges) Leben, diesen Lebensabschnitt als Ganzes nicht als sinn-voll. Der Sinn fehlt.
Der Sinn ist ungreifbar, weil er sich nicht konkretisiert. Weder in bestimmten Gefühlen wie „glücklich“ oder „unglücklich“ noch in bestimmten Tätigkeiten oder unterlassenen Tätigkeiten. Der Sinn bildet den Hintergrund jedes konkreten Tuns oder Fühlens. Jetzt, so würde ich sagen, äußert sich die Sinn-Losigkeit am ehesten in einer Stimmung der Niedergeschlagenheit, die mit dem Satz „was soll ich hier noch“ verbunden ist.
Kann man einen Lebensabschnittssinn gezielt suchen? Es gibt Weisheiten wie die, daß das Leben selbst der Sinn ist, nur müssen solche Wahrheiten erkannt werden (ich weiß gar nicht, wie man diese Form des Erkennens nennt) – mit Herz und Verstand gleichzeitig. Man kann sie sich nicht anlesen.
F.
Kommentar hinzufügen
Kommentare