Brief 98 | Abbrüche

Liebe F.,

Vaterbilder

Bist Du einverstanden, wenn wir diese „Angelegenheit“ unabgeschlossen und ungelöst zur Seite packen?

Ja natürlich.

Inneres Objekt

Wenn eine erwachsene Person sich zum Beispiel ihre angreifende, in positivem Sinne „aggressive“ Energie als einen „Tiger“ vorstellt oder bildlich vergegenständlicht, dann objektiviert sie ein eigenes Verhalten (in einem äußeren Gegenstand), um es zu veranschaulichen; sich mit ihm vertrauter zu machen, falls es ein nicht besonders intensiv ausgeprägtes Verhalten ist oder um sich mit ihm anzufreunden, falls es intensiv ist und sich eher störend auswirkt. Dies nur vorweg zu Deiner spontanen Abneigung und hier in der Umkehrung, d.h. der objektivierten Innenwelt. Vergegenständlichung –in beide Richtungen- bedeutet ja keineswegs, das Denken eines „Subjekts“ oder einer Person zu durchlöchern, indem „fremde“ Objekte ins „Eigene“ gesetzt werden, mir gefällt der Ausdruck von der „introjizierten Außenwelt“ oder auch Aneignung.  

Das wäre dann etwas Ähnliches wie mein „Bilddenken“? Ich verinnerliche damit zwar kein Objekt, aber ich vergegenständliche mir ein ansonsten unsprachliches, deshalb oft eher diffuses Gefühl oder Verhalten. (Mein Pendelbild zum Beispiel.)

Ich verlinke Dir das „still face“-Experiment, das den Entwicklungspsychologen E. Tronick berühmt gemacht hat, falls Du es nicht kennen solltest. Es demonstriert die Grausamkeit, die es für ein Kleinkind bedeutet, wenn die Mutter nicht kommuniziert. Man kann sich leicht vorstellen, wie es sein muß, wenn die Mutter ablehnend kommuniziert.

Nein, dieses Experiment kannte ich nicht, und es zu sehen ist mir durch Mark und Bein gegangen. Nun möchte ich meinerseits ein Thema abbrechen. Ich möchte eine solche (deine) Erfahrung nicht öffentlich im Internet vertiefen und dich auch nicht dazu bewegen, das zu tun.

Aktiv – passiv

Mich treibt Deine Selbstbeschreibung als „passiv“ dermaßen um, daß ich hier noch einmal darauf eingehen möchte. Falls Du inzwischen von meiner Penetranz genervt bist, so kann ich das nachvollziehen -und sage es gerne direkt :-))). Wobei es allmählich auch meinerseits nötig wäre zu überlegen, was mich eigentlich so stark tangiert (ich habe es allerdings nur flüchtig und ergebnislos überlegt).

Auch dieses Thema möchte ich, zumindest vorläufig, fallen lassen. Nicht, weil ich von deiner „Penetranz genervt“ bin :-), sondern weil wir jetzt auf einer mikrologischen Stufe angekommen sind, auf der ich nichts mehr erkennen kann (wie bei einem Mikroskop, das an die Grenzen seiner Auflösungsfähigkeit gelangt ist), ich weiß einfach nichts mehr dazu zu sagen.

****

Was bleibt nun noch übrig? Du hast in deinem letzten Brief drei Themen behandelt, und alle drei habe ich jetzt abgebrochen bzw. deinem Abbruchwunsch zugestimmt. Ich finde es schön, wenn Gespräche auch mal ins Stocken geraten, wenn Raum für neue Gedanken entsteht. Hier im Internet ist das natürlich etwas blöd, trotzdem möchte ich diese Lücke, diese Stille nicht gleich wieder füllen.

B. 🎈

https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Ens%C5%8D?uselang=de#/media/File:Enso2.png

Quelle: Wikipedia

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