Ein Gedicht von Gabriele Wohmann, das sie mit "Spargelsaison" betitelt und das, wie sie kommentiert, über die "ganz und gar unmögliche Existenzform des Verwitwetseins" handelt (aus: "Ich lese. Ich schreibe. Autobiographische Essays", Luchterhand 1984).
Diese Witwe beweint plötzlich im Stück Ü B E R L E B E N
Fahrlässig gegenüber den vertrauten Regieanweisungen
Uneinsichtig ohne himmelwärts gewandtes Darüberstehen
Einfach kindisch, einfach in sehr großer Liebe gegenständlich
Ihren toten Mann in diesem Moment
Nur um der diesjährigen Spargelernte willen
Es schmeckt ihr ja selber nicht mehr richtig!
Sich selber beweint sie
O ja, wie fehlt er ihr doch.
Keine Komposition und kein Vers
Steht ihr bei gegen das irdische Vergnügen
Du Armer, mir kommt keine schöne Idee
zu dir, diese albernen Spargeln -
UND BUCHEN WIR DAS AB ODER ZAHLEN WIR ES BAR
Kann ich dich auch nicht mehr fragen!
Meine Regieanweisung flüstert laut und giftig: "was, nach 5 Jahren hast du immer noch nicht" und "du solltest mal" und "na, dann bist du selber schuld" - und trotzig rufe ich "nein, immer noch nicht". Aber der Blick in diesem Gedicht ist ein ernüchternder (oder ist es ein "böser"?), keine Rettung ins Erhabene, nur Lücke des Alltags, denn alle Trostmittel versagen. Und immer so weiter.
F.
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Kommentare
Wie angenehm unsentimental. Einfach nur bockig unversöhnt - so ist man manchmal eben auch, trotz aller Bemühung um radikale Akzeptanz.