Spiegel: Die romantische Vorstellung von einer dauerhaften Beziehung geht davon aus, dass zwei Menschen eins werden.
Znoj: Wir sprechen vom erweiterten Ich. Das ist gar nicht nur romantisch zu verstehen, es ist ein Prozess, in dem aufeinander bezogene Individuen, sei es in einer Gruppe oder zu zweit, den oder die jeweils anderen mitdenkt, wenn sie planen oder handeln.
Erweitertes Ich – das fand ich einen sehr passenden Ausdruck. Meinen Mann hat es zwar manchmal ein wenig gekränkt, dass ich die romantische Bedeutung nicht leben wollte, aber jetzt, wo diese Erweiterung nicht mehr da ist, merke ich ganz besonders, wie stark sie vorher in ihrer alltäglichen Ausprägung gewesen ist. (Da würde wohl auch dein Identitätsverlust hineinpassen – du hast einen Teil deines Ichs verloren.) Jetzt bin ich zwar immer noch Ich, aber ein reduziertes, das sich erst (wieder) daran gewöhnen muss, allein für sich selbst zu handeln und zu sorgen. Das „wieder“ habe ich in Klammern gesetzt, weil ich das ja eigentlich noch nie gewöhnt gewesen bin. Ich bin ja gleich vom Kindsein im Elternhaus in die Beziehung zu meinem Mann gekommen, ohne Zwischenstationen. Das war im Laufe meines Lebens auch immer mal wieder ein utopischer Punkt, dass ich mir vorstellte, wie es wohl ist, sein Leben allein zu gestalten. Dieser Punkt verschwand aber immer gleich wieder, denn dafür hätte ich natürlich nie meine Ehe aufgegeben. Aber andererseits finde ich es zumindest in dieser Hinsicht ganz gut, dass ich jetzt noch nicht so alt bin, dass ich einfach nur das alte Leben bis zu meinem eigenen Tode fortsetze, sondern eine realistische Möglichkeit für eine Neugestaltung habe. Daher auch meine gelegentlichen Anflüge, alles „irgendwie ganz anders“ machen zu wollen. Völlig unkonkret, aber manchmal sehr drängend.
B.
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